Der Bayern-Neuzugang Renato Sanches im Porträt

Renato Sanches? Viele Fußballfans dürften sich nur fragend am Kopf gekratzt haben, als sie den Namen von Bayern Münchens Neuverpflichtung hörten. Kein Wunder, ist der 18-jährige Portugiese von Benfica Lissabon doch auf internationaler Bühne ein eher unbeschriebenes Blatt. kicker online hat ihn unter die Lupe genommen. Was zeichnet seine Spielweise aus, was sind seine Stärken und Schwächen? Und wie tickt das Jungtalent privat?

Der 13. April 2016 war ein harter Tag für Renato Junior Luz Sanches. Nicht nur wegen des Ausscheidens im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Bayern München, gegen den er zweimal eine gute Figur abgegeben hatte (kicker-Noten 2 und 3). In der Nacht musste er auch noch Abschied nehmen. Kobe Bryant beendete im Staples Center seine Karriere bei den Los Angeles Lakers, dessen 60 Punkte im letzten Spiel dürften den 18-jährigen NBA-Fan und Lakers-Anhänger wenigstens halbwegs getröstet haben.

Zum Basketballprofi reichte es für Renato Sanches zwar nicht. Kein Wunder, er ist auch nur 1,76 Meter groß. Doch auf dem Fußballplatz ist „Bulo“, wie sein Spitzname seit seiner Jugend lautet, ein Riese. Robust, zweikampfstark, technisch versiert – ein Duracell-Hase, dessen Batterien scheinbar niemals den Geist aufgeben.

Und er ist bissig, dieser Renato Sanches. Vielleicht auch, weil er es in der Jugend nicht immer leicht hatte. Geboren und aufgewachsen ist er in Lissabon, im komplizierten Viertel Musgueira. Viele afrikanische Familien sind dort zu Hause. Sanches‘ Vater, aus der ehemaligen portugiesischen Kolonie Sao Tomé und Príncipe stammend, verließ die auf den Kapverden geborene Mutter, als Renato fünf Monate alt war.

Renato Sanches, der Straßenfußballer

Auf den Straßen von Musgueira und im Schatten des Estadio Alvalade – kurioserweise die Heimstätte von Sporting – unternahm Sanches seine ersten fußballerischen Gehversuche. Im Jahr 2008 landete er schließlich beim großen Nachbarn Benfica. „Ich habe auf der Straße angefangen, aber es war bei Benfica, wo ich alles gelernt habe“, sagte er einmal. Bis jüngst die Bayern anklopften, blieb er dem Klub treu.

Doch rechtfertigt sein zugegebenermaßen unübersehbares Talent eine Summe von 35 Millionen Euro Ablöse plus Bonuszahlungen für einen 18-Jährigen? Es dürfte auch mit Sanches‘ Charakter einhergehen, dass die Bayern derartig tief in die Tasche griffen. Der Mittelfeldspieler mit dem harten Schuss, der auf der Sechs und auch auf der offensiven Halbposition eingesetzt werden kann, hat keine Angst vor Verantwortung, gilt als der „nette Junge von nebenan“. Starallüren sind ihm völlig fremd. Brav, strebsam, topmotiviert, bescheiden: Solche Art von Spielern mag man bei den Bayern spätestens seit den Neunziger Jahren, als man als „FC Hollywood“ zweifelhafte Schlagzeilen produzierte.

Woran Carlo Ancelotti mit ihm arbeiten muss, ist ein gewisser Hang zur Übermotivation in seiner Spielweise. Sanches geht häufiger mal an die Grenze des Erlaubten in Sachen Körpereinsatz. Dass er in dieser Ligaspielzeit nur einmal mit Gelb-Rot vom Platz flog, ist auch ein wenig dem „Benfica-Bonus“ als Spitzenmannschaft geschuldet. So mancher Schiedsrichter drückte bei ihm gerne ein Auge zu.

EURO oder Olympia?

Ein weiterer Nachteil ist natürlich seine Unerfahrenheit. Doch die Chancen stehen gar nicht schlecht, dass er vor seiner Ankunft an der Säbener Straße an Erfahrung dazugewonnen hat. Am 17. Mai gibt Portugals Nationaltrainer Fernando Santos seinen EM-Kader bekannt. Der Name von Renato Sanches (bislang zwei Länderspiele) steht auf der erweiterten Liste. Ansonsten könnte auch das Olympia-Turnier zum Thema werden. Sanches selbst weiß jedenfalls, dass er noch viel lernen muss – aber auch, wie er noch viel lernen kann. „Man steigt immer eine Etappe. Man muss immer das Maximum auf jeder Etappe geben, um der Beste zu sein.“

Und da die Fans die Kämpfernaturen immer besonders ins Herz schließen, ist es kein Wunder, dass Sanches auch bei der Benfica-Anhängerschaft sehr beliebt ist. Vor allem die jungen Fans verehren das Kraftpaket mit den Rastazöpfen. Vielleicht bringt er es ja auch bei den Bayern zum Publikumsliebling. So wie Kobe Bryant bei den L.A. Lakers.

Quelle kicker.de