Kurt Landauer (28.07.1884 – 21.12.1961)

Landauer führte den FC Bayern zwischen 1913 und 1951 mit Unterbrechungen 18 Jahre lang als Präsident.
Kurt Landauer wurde am 28. Juli 1884 in Planegg bei München geboren. Die jüdischen Eltern waren Kaufleute und betrieben ein Bekleidungsgeschäft in der Münchner Innenstadt. Dem FC Bayern trat Landauer 1901 als 17-Jähriger bei. Er spielte selbst, 1913 wurde er zum ersten Mal Präsident. Im Ersten Weltkrieg ließ er das Amt ruhen, kämpfte für Deutschland.
Nach dem Krieg kehrte er zurück und verkaufte wieder Anzeigen für die Neuesten Münchner Nachrichten. 1919 wurde er erneut Präsident des FC Bayern.
In diesen Jahren gründete sich dort die NSDAP und rekrutierte ihre ersten Anhänger. „Antisemitisch verseucht“ sei die Stadt damals schon gewesen, sagt der Historiker Dietrich Schulze-Marmeling. Er hat sich in mehreren Büchern mit der jüdischen Vergangenheit des FC Bayern beschäftigt. Der Verein war damals besonders, gab allen die gleichen Aufstiegschancen. In einer Zeit, in der die ersten Juden vertrieben wurden, war das die Ausnahme. Weitere jüdisch geprägte Vereine waren Eintracht Frankfurt und der 1. FC Nürnberg.
Landauer war ein Visionär: Er reformierte die Nachwuchsarbeit und organisierte Testspiele gegen internationale Mannschaften. Er lud Teams aus Budapest, Prag und Wien nach München ein, gegen die es hohe Niederlagen setzte. Das war ihm aber nicht so wichtig: Diese Teams spielten nicht den englischen Kick-and-Rush-Stil, sondern setzten auf kurze Pässe und dienten Landauer als Vorbild für seinen FC Bayern. Eher investierte er in den Kader als in ein Stadion. Er holte jüdische Spieler aus Ungarn und Tschechien. „Viele Themen, die heute bei den Vereinen diskutiert werden, sprach Landauer auch an“, sagt Schulze-Marmeling. Der FC Bayern von Kurt Landauer spiegelte das Künstlerviertel Schwabing des damaligen München wieder, der Heimat der Bayern.
So viel Professionalität stieß beim DFB auf Widerstand. Landauer befürwortete gegenüber dem DFB den Berufsfußball. Es gab Streit. Der DFB sah Fußball als Amateursport und verbot internationale Transfers. Ein Beschluss, der klar gegen die Bayern gerichtet war. In Österreich gab es ab 1924 die ersten Profis, in Ungarn ab 1926. In Deutschland zahlten viele Vereine damals ihren Spielern illegale Gehälter. Erst 1932, als die Nationalmannschaft immer schlechter wurde, beschloss der DFB die Einführung einer Profiliga in Deutschland.
„Unsere oberste Behörde setzt sich über ihre Vereine hinweg, geht unbeirrt eigene Wege, gleichwohl ob die Vereine dabei Schaden erleiden“, schrieb Landauer 1925 in der Vereinszeitung unter dem Titel Der DFB auf dem Kriegspfad. Man kann sich Landauer gut als tobenden Vorgänger von Uli Hoeneß vorstellen, „Landauer konnte sehr bestimmt sein“, sagt Dietrich Schulze-Marmeling.
Landauers Charakter wird vom Historiker als „urbayerisch und weitblickend“ beschrieben. 1928 spielten 535 Jugendspieler in 36 Jugendmannschaften des Vereins, es war die größte und beste Nachwuchsabteilung in Deutschland. 1932 schlägt der FC Bayern im Finale um die deutsche Meisterschaft Eintracht Frankfurt. Meistertrainer ist der Jude Richard Kohn, damals Europas begehrtester Coach. Es ist der erste Titel, der nächste folgt erst 1969.
Für die Nazis war der FC Bayern danach der Judenclub. Im Gegensatz zum Lokalrivalen TSV 1860, den schon früh Nationalsozialisten mitführten. Kurt Landauer musste zurücktreten und wurde im KZ Dachau interniert. Vier seiner sechs Geschwister wurden von den Nazis ermordet. Er kam nach zwei Monaten frei und emigrierte 1939 in die Schweiz. Auch im Untergrund versuchte er, beim FC Bayern die Fäden zu ziehen. Bei einem Testspiel in der Schweiz 1943 winkten die Spieler ihrem Präsidenten im Exil auf der Tribüne zu, mehr Kontakt erlaubte die anwesende Gestapo nicht.
Mit der erfolgreichen Generation um Beckenbauer, Hoeneß und Breitner geriet das Kapitel Landauer in Vergessenheit. „Nach den Erfolgen ab 1965 interessierte sich niemand mehr für die Zeit zwischen 1918 und 1945“, sagt Dietrich Schulze-Marmeling. Erst ein Artikel der „Zeit“ und Recherchen von Historikern brachte 2003 die Ultras der Schickeria auf das Thema. Lange vor der Vereinsführung wollten sie wissen, wo die Wurzeln ihres Vereins lagen. Und begannen zu recherchieren.
Sie organisierten Lesungen, trafen sich mit Landauers Neffen Uri Siegel. Seit 2006 richtet die Schickeria das „Antirassistische Kurt-Landauer-Turnier“ aus. Ein Fußballturnier, bei dem die Ultras und befreundete Gruppen auch Vorträge organisieren und Filme wie Schindlers Liste zeigen. Auch Schulze-Marmeling wurde mal eingeladen und rechnete mit bierseligen und grölenden Fußballfans: „Ich saß in einem Bierzelt vor 300 Leuten, es war komplett still“, sagt er, „so ein Interesse an meiner Lesung habe ich nirgendwo sonst gespürt“.
Es folgten Choreografien zum 125. Geburtstag von Kurt Landauer, zur Erinnerung an die Meisterschaft 1932 und im vergangenen Februar beim Spiel gegen Frankfurt ein Banner, das die komplette Südkurve überspannte. „Der FC Bayern und ich gehören nun einmal zusammen und sind untrennbar voneinander“ stand da. Mit dieser Szene endet auch der Film Landauer. Die Schickeria erhielt für ihr Engagement rund um Kurt Landauer den Julius-Hirsch-Preis des DFB für ihr Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und Homophobie.


 

 

Der Verein setzte sich erst ab 2009 aktiv mit Landauer auseinander. Vor allem Karl-Heinz Rummenigge griff das Engagement der Fans auf und erwähnte Landauer in seinen Reden. 2009 legte er zum 125. Geburtstag Landauers einen Kranz in Dachau an seiner ehemaligen KZ-Zelle nieder, wo bereits ein Strauß der Ultras der Schickeria lag.
Landauer kam nach dem Krieg zurück ins zerstörte München. 1947 wurde er zum dritten Mal Präsident des Vereins. Er versuchte, von den Amerikanern die Spiellizenz für den Club zurück zu erhalten und Fußball in der Stadt wieder populär zu machen. Bei den Neuwahlen 1951 wurde Landauer scharf attackiert, vor allem die Handballer des Vereins und einige Fußballer waren nicht mehr mit ihm zufrieden. Landauer versöhnte sich aber kurze Zeit später mit der Clubführung um den neuen Präsidenten Julius Scheuering. 1955 lieh er dem angeschlagenen Verein 10.000 Mark, am 21. Dezember 1961 starb er. Seit 2013 ist Kurt Landauer Ehrenpräsident.

Quelle: http://www.zeit.de/sport/2014-10/kurt-landauer-fc-bayern-film